Fachwissen Sustainability Days 2024

Die neue Phosphorchemie: einfach nachhaltig

Die ganze Welt der Phosphorchemie steht seit kurzem nach nur zwei Reaktionsschritten offen. Schnell dürfte die Frage aufkommen: «Warum haben wir das früher eigentlich so kompliziert gemacht?»

Die Antwort lautet: Weil ein Team von der Technischen Universität Dresden um Prof. Dr. Jan J. Weigand das neue Verfahren brandaktuell in «Nature Synthesis» veröffentlicht hat.

So verblüffend einfach wie das Ergebnis war der Weg dorthin nicht. Immerhin fünfzehn Jahre haben die Forschungen in Anspruch genommen.


Vielseitiges Phosphorylierungsmittel

So einfach geht Phosphorchemie heute: Aus Phosphaten aus dem Bergwerk oder aus Recycling-Phosphaten gewinnt man unter Verwendung von Pyridin (Py) und Trifluormethansulfonsäureanhydrid (Tf2O) das vielseitige Phosphorylierungsmittel Py2PO2(OTf).

Dieses Reagenz ermöglicht einen Redox-neutralen Zugang zu funktionalisierten Phosphaten, indem es mit verschiedenen Nukleophilen wie Aminen, Alkoholen oder Pseudohalogeniden sehr bereitwillig reagiert. Prof. Weigand sieht darin eine «Blaupause für eine wesentlich nachhaltigere Phosphorchemie».


Von A bis Z Oxidationsstufe V

Die Oxidationsstufe V des Phosphors bleibt bei diesem Verfahren vom Ausgangsstoff über das Phosphorylierungsmittel bis zur Phosphor-Feinchemikalie erhalten. Zukünftigen Generationen wird es vielleicht unverständlich erscheinen, dass man zuvor in einem viel aufwendigeren und energieintensiveren mehrstufigen Prozess zunächst über einen Redox-Umweg hochgiftigen weissen Phosphor (P4) hergestellt und anschliessend durch Oxychlorierung zu PCl3, PCl5 und POCl3 weiterverarbeitet hat, alles problematische und teilweise sehr giftige Zwischenprodukte.


Rohstoff vor der Haustür

Das Verfahren der Universität Dresden könnte über einen Beitrag zum Umweltschutz sowie Zeit- und Kostenersparnis hinaus Europa unabhängiger von Drittstaaten machen. Erst kürzlich begann die Erkundungsphase für einen möglichen Abbau von Bodenschätzen im schwedischen Kiruna.

Als Sensation gilt der dortige Fund von Seltenen Erden, die für die digitale und grüne Transformation gebraucht werden (z. B. Elektroautos, Windräder). Fast untergegangen ist dabei, dass in Kiruna auch grosse Mengen an Eisen sowie an Phosphor- und Fluorverbindungen gefördert werden können. Die Kombination macht das Gesamtprojekt ökonomisch so interessant. Und Seltene Erden vor der eigenen Haustür plus Phosphate plus ihre innovative Verarbeitung nach dem Dresdner Verfahren könnten Europa gleichzeitig mehr Umweltschutz und mehr Unabhängigkeit bringen.

ChemieXtra

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