Fachwissen

Ethischer geschäften

Mit der Konzernverantwortungsinitiative sollen auch Unternehmen aus der Schweiz ethische und ökologische Mindeststandards bei ihren ausländischen Aktivitäten einhalten. Der erste Anlauf endete in einer zahmen Regelung, nun legt die EU vor.

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Unternehmen für das, was sie tun (oder unterlassen) verantwortlich sind und gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden können. Und zwar nicht nur bezogen auf die Endprodukte, sondern die gesamte Wertschöpfungskette einschliessend, also inklusive der Rohstoffextraktion sowie der Herstellung von Vorprodukten. Im Wesentlichen geht es darum, dass global agierende Unternehmen garantieren, ein Mindestmass an ethischen und ökologischen Standards einzuhalten, einschliesslich ihrer Tochterunternehmen und ihrer Zulieferer. Damit ist es leider nicht immer weit her, wie zahlreiche Beispiele zeigen, etwa der Kobalt- und Coltan-Gewinnung unter menschenunwürdigen Bedingungen oder die Textilproduktion in Asien, die an Sklaven- oder Leibeigenen-Strukturen erinnern. Der Vorwurf dabei: Unternehmen verzichten bewusst auf die Durchsetzung von Standards vornehmlich in den Ländern des globalen Südens, um ihre Gewinne zu maximieren, die dann den Zentralen in den Industrieländern zufliessen. Besonders brisant ist die Situation im Textil-, Rohstoff-, Agrar- und Finanzbereich, weshalb die OECD diese auch als „Risikosektoren“ definiert. 

 

Diesen Missstand vor Augen, gründete sich im April 2015 die Konzernverantwortungsinitiative, hinter der heute über 80 Organisationen der schweizerischen Zivilgesellschaft stehen, darunter auch Gewerkschaften, Aktionärsverbände sowie grosse Unternehmen. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass Konzerne sämtliche Geschäftstätigkeiten seriösen Sorgfaltsprüfungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltschäden unterziehen und transparent darüber berichten müssen. Die Grundlage dafür bieten die 2011 fixierten UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Schweizer Konzerne sollen, so die Initiative, überall diese Mindeststandards respektieren und sich vor Ort aktiv für ihre Einhaltung einsetzen. Ansonsten drohen empfindliche Bussen sowie die juristische Aufarbeitung nach Schweizer Recht. Zugleich soll die Beweislast auf die Unternehmen übertragen werden.  

 

Einen ersten, mit 120.000 Unterschriften unterfütterten Antrag der Initiative, sich des Themas anzunehmen, lehnte der Bundesrat 2016 jedoch ab. Einen eigenen Vorschlag der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen, die von einer Gruppe schweizerischer Grossunternehmen und dem Nationalrat unterstützt wurde, lehnte der Ständerat 2019 ab. Zugleich nahm er einen Regierungsentwurf an, den die Konzernverantwortungsinitiative als völlig unzulänglich kritisiert, weil er nur wenige Aspekte aufgreift und keine Haftungsregeln vorsieht. Diesem Entwurf stimmten schliesslich sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat im Juni 2020 zu. Daraufhin lancierte die Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 eine Volksabstimmung, die trotz 50,7 Prozent Bürger*innen-Zustimmung am nicht erreichten Ständemehr scheiterte. Seit Anfang 2022 sind nun diese Regeln gemäss der Ausführungsverordnung des Bundesrates in Kraft. Sie gilt für börsenkotierte Firmen und nichtkotierte Finanzdienstleister mit mehr als 500 Mitarbeitenden. 

 

Unterdessen machte sich die EU ebenfalls an das Thema und entwickelte Richtlinien, die EU-Firmen ab 250 Mitarbeitern schrittweise ab 2024 bzw. ab 2026 erfüllen müssen. Darunter fällt neben klaren, sanktionshinterlegten Berichtserstattungspflichten zu Umwelt- und Menschenrechtsaspekten auch die Auskunft, wie die Klimaziele von Paris auf unternehmerischer Ebene erreicht werden sollen. Brisant dabei: Die Regeln gelten ab 2028 auch für Unternehmen aus Drittländern, also auch aus der Schweiz, sofern ihr jährlicher Umsatz in der EU 150 Millionen Euro überschreitet. Sind sie in einem Risikosektor tätig, dann reicht schon ein EU-Umsatz von 40 Millionen Euro. In diese Kategorie passen bis zu 250 eidgenössische Unternehmen, die dann die gegenüber Schweizer Recht weiterreichenden EU-Richtlinien einhalten müssen. Allerdings sieht die EU-Regelung mehr Ausnahmen für KMUs vor und überlässt es den Mitgliedsstaaten, ob die Beweislast bei den Klägern oder den Beklagten liegt. Auch obliegt es den Einzelstaaten, Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene zu schaffen, die Bussen erteilen können. Gerade hier geht die EU sogar über die Forderungen der Konzernverantwortungsinitiative hinaus. 

 

Auf den ersten Blick scheint die Konzernverantwortungsinitiative gescheitert – doch es geht weiter, mit einer Petition an den Bundesrat, dieser möge eine international abgestimmte Regelung erarbeiten. Also genau das, was im Rahmen der Volksabstimmung 2020 versprochen wurde. Statt der notwendigen 100.000 legte die „Koalition für Konzernverantwortung“ in nur drei Monaten sogar über 217.000 Unterschriften vor. Der Druck für ein anderes Geschäften ist also weiterhin da, bis Mitte 2024 will der Bundesrat nun einen Vorschlag für Anpassungen an die EU-Berichtspflicht präsentieren. Bis dahin bleibt es unsicher für die Unternehmen in der Schweiz, welches Szenario dereinst gelten wird. 

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